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-Teil 4- Stärken und Schwächen des verkehrspsychologischen und -medizinischen Systems in Deutschland

Schwächen des aktuellen Fahrerlaubnissystem

Insgesamt ist festzustellen, dass das Fahrerlaubnis- bzw. MPU-System in Deutschland viele Vorteile hat. Trotz allem gibt es an einigen Stellen durchaus noch Optimierungsbedarf.


Geringe Aufklärung und Informiertheit der Betroffen

Trotz kostenfreier Informationsveranstaltungen, die in vielen Begutachtungsstellen für Fahreignung regelmäßig stattfinden und einer Fülle von seriöser Literatur rund um das Thema MPU, ergab eine Befragung von 1.631 MPU-Kandidaten, dass sich nur etwa die Hälfte aller Betroffenen (52,6%) ausreichend bis optimal informiert fühlte. Die Mehrzahl gab außerdem an, dass sie wichtige Informationen hinsichtlich der Erfüllung von Voraussetzungen für die Wiederherstellung ihrer Fahreignung erst nach aufwendiger Suche, zu spät oder gar nicht erhalten hätten. Fast 70% der Personen, die an Kurs- und Beratungsmaßnahmen vor ihrer ersten MPU teilnahmen, erhielten ein positives Gutachten, 7,6% eine Kurszuweisung. Personen, die keine Beratung absolviert hatten, erhielten nur halb so häufig ein positives Gutachten (37,1%) und dreimal so häufig eine Kurszuweisung (21%). Diejenigen, die frühzeitig die für sie entscheidenden Informationen erhalten hatten (ohne eine Schulungsmaßnahme besucht zu haben), erhielten zu 62,4% ein positives Gutachten, bei zusätzlicher Teilnahme an einer Schulungsmaßnahme stieg die Erfolgsquote auf 81% an.


Die Ergebnisse machen deutlich, dass eine frühzeitige Versorgung mit relevanten Informationen sowie die Teilnahme an einer Schulungsmaßnahme wesentlich zum Rehabilitationserfolg beitragen. Demgegenüber stellen die Autoren der Studie fest, dass zunächst mangels Information und Problembewusstsein den wenigsten Personen klar ist, dass es langfristig angelegter Einstellungs- und Verhaltensänderungen bedarf, um die Fahreignung wiederherzustellen. Dadurch können erhebliche Zeitverluste entstehen und es kann zu einem unnötig langwierigen Rehabilitationsverlauf kommen. In vielen Fällen kommt es erst nach negativ verlaufener Begutachtung der Fahreignung zu einer Auseinandersetzung mit dem Trinkverhalten. So vergehen oft Jahre, bis der Trunkenheitsfahrer seine Mobilität wieder erlangt, was zu massiven individuellen Problemen führen kann, wie beispielsweise der Verlust des Arbeitsplatzes oder familiären Belastungen.


Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse empfehlen die Autoren, dass spätestens zu Beginn der Sperrfrist eine obligatorische Beratung mit individueller Maßnahmenplanung erfolgen sollte. Dadurch würde die gesamte Rehabilitationsphase für die Betroffenen effizienter und nachvollziehbarer gestaltet werden. Ein solches Vorgehen erscheint äußerst sinnvoll, da die zuvor beschriebene Studie deutlich gezeigt hat, dass die Sperrfrist nicht von allen Betroffenen zur Informationssuche und zur Problemaufarbeitung genutzt wird.


Verbraucherschutz im Rehabilitationsmarkt

Um verkehrsauffällige Fahrer vor unqualifizierten Rehabilitationsmaßnahmen-Anbietern besser zu schützen, wäre von Seiten des Gesetzgebers eine stärkere Regulierung des Rehabilitationsmarktes wünschenswert. Eine amtliche Anerkennung oder Zertifizierung/Akkreditierung von Rehabilitationsmaßnahmen-Anbietern mit Festlegung bestimmter Qualifikationskriterien würde dazu beitragen, dass sich Betroffene in dem wenig transparenten Markt besser orientieren könnten und auch die fachliche Hilfe bekommen, die sie benötigen.


In Deutschland bieten viele qualifizierte Verkehrspsychologen eine Rehabilitationsmaßnahme an, aber auch immer mehr Personen mit fraglicher Qualifikation, das heißt selbsternannte „MPU-Vorbereiter“, „Führerscheinberater“ oder „Therapeuten“. MPU-Kandidaten lernen lediglich angeblich erwünschte Antworten auf mögliche Fragen des Psychologen auswendig, was letztlich nicht zur Wiederherstellung der Fahreignung beiträgt. Zum anderen wird von einigen selbsternannten „Verkehrsberatern“ oder „Suchttherapeuten“ lediglich mit Schocktherapie und moralisierenden Inhalten gearbeitet, von denen bekannt ist, dass sie keinen Einfluss auf die Verhaltensänderung haben. Eine für die nachhaltige Verhaltensänderung notwendige Auseinandersetzung mit zentralen Themen des problematischen Alkoholkonsums (z.B. Aufarbeitung der Trinkmotive und der Rückfallproblematik) findet in diesen fragwürdigen Rehabilitationskursen nicht statt, unter anderem auch weil es solchen Vorbereitern an der entsprechenden Qualifikation fehlt. Eine unqualifizierte Rehabilitationsmaßnahme kann damit zu einer deutlich längeren Zeit ohne Führerschein führen. Bei einer seriösen Maßnahme geht es dabei letztendlich nicht nur um das Bestehen der MPU, sondern auch um die Vermeidung von Rückfällen bzw. um eine dauerhafte Verhaltensänderung.


Vernachlässigung psychologischer Inhalte

Insgesamt sollte im Hinblick auf die Wiederherstellung der Kraftfahreignung psychologischen Inhalten eine noch stärkere Bedeutung zukommen. Es greift deutlich zu kurz, wenn Trunkenheitsfahrer lediglich für eine gewisse Zeit auf den Konsum von Alkohol verzichten, ohne sich mit ihrem früherem Alkoholkonsum und den dazugehörigen Ursachen auseinanderzusetzen. Die Aufarbeitung der Trinkmotive ist eine grundlegende Voraussetzung, um wirksame Strategien zur Vermeidung eines Rückfalls in frühere (Trink-)Gewohnheiten zu entwickeln.

Die häufige Vernachlässigung psychologischer Inhalte wird am Beispiel der Vorbereitung auf die MPU deutlich. Infolge der Neukonzipierung der Beurteilungskriterien im Jahr 2009 haben Abstinenzbelege – Abstinenzkontrollen auf Ethylglucuronid (EtG) im Urin oder im Haar – bei der Vorbereitung auf die Begutachtung einen besonderen Stellenwert erhalten. Abstinenzbelege erwecken den Anschein, wesentlich valider zu sein als rein psychologische Kriterien, sodass Außenstehende (Richter, Behördenmitarbeiter, Rechtsanwälte, etc.) die Abstinenzangabe bei Vorliegen eines Abstinenzbeleges oftmals erst gar nicht in Frage stellen. Die Prüfung der prognostischen Validität der Abstinenzbelege steht allerdings noch aus.


Bei den Betroffenen selber bildet sich häufig die Meinung, mit dem Vorlegen eines Abstinenzbeleges stehe einer positiven MPU nichts mehr im Wege. Die Inanspruchnahme einer MPU-Beratung bzw. einer psychologischen Maßnahme wird als unnötig angesehen, schließlich bereitet man sich ja bereits mit dem Führen eines Abstinenzbeleges auf die MPU vor. In diesem Zusammenhang verwundert es auch nicht, dass immer häufiger über Fälschungen von Abstinenzbelegen berichtet wird. Zudem ist für viele verkehrsauffällige Fahrer die Forderung nach Abstinenzkontrollen sehr viel konkreter umzusetzen als die Erfüllung von psychologischen Kriterien, die Begriffe wie „Auseinandersetzung“, „Problembewusstsein“ oder „Rückfallvermeidung“ beinhalten. Zweifelsohne sind Laborbefunde bei der Fahreignungsbegutachtung eine große Unterstützung, der Fokus sollte jedoch generell stärker auf den psychologischen Inhalten liegen.


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