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  • AutorenbildMPU May

Autofahren im Seniorenalter

Im Zusammenhang mit zum Teil spektakulären Unfällen, die von älteren Fahrern verursacht wurden und aufgrund des demografischen Wandels, wird zunehmend über den älteren Autofahrer diskutiert.


Verkehrsverstöße von Verkehrsteilnehmern im Seniorenalter werden in der Öffentlichkeit oft pauschal mit altersbedingtem Unvermögen zur sicheren Verkehrsteilnahme erklärt.

Neben dem demografischen Wandel steigt auch der Anteil der Führerscheininhaber über 65 Jahre weiter an. Hinzu kommt, dass die Automobilität der Senioren zunimmt, wie die Studie Mobilität in Deutschland 2008 dokumentiert.


Angesichts dieser Tatsache richtet sich die Aufmerksamkeit der Verkehrssicherheitsarbeit zunehmend auf das Verhalten von Menschen ab einem Alter von 65 Jahren. Mobilität bis ins hohe Alter bedeutete für diese Generation vor allem eine gewisse Lebensqualität und gesellschaftliche Akzeptanz. Mobilität erleichtert zudem den Alltag und sichert eine gewisse Selbstständigkeit und Unabhängigkeit sowie die Aufrechterhaltung sozialer Kontakte und die Erfüllung praktischer Wünsche (Fahrt zum Arzt, Apotheker, Supermarkt, Frisör). Darüber hinaus ermöglicht Mobilität die Umsetzung von Freizeitinteressen und kompensiert altersbedingte Einschränkungen wie z.B. Gehbehinderungen. Letztendlich trägt Mobilität zur Aufrechterhaltung eines Bildes der eigenen Kompetenz bei. Aus den genannten Gründen ist es daher auch aus gesellschaftlicher Sicht wünschenswert die Mobilität im Seniorenalter möglichst zu erhalten. Nach einer aktuellen forsa-Umfrage möchte die Generation 65 plus möglichst ein Leben lang mobil sein. Fast allen älteren Autonutzern, nämlich 93 Prozent ist es sehr wichtig oder wichtig, dass sie sich selbstständig mit dem Auto fortbewegen können. Ein Drittel fährt fast täglich Auto. 82 % der befragten Senioren wären bereit, auf ihren Führerschein zu verzichten, wenn sie nicht mehr sicher fahren könnten. In der Praxis spricht jedoch nur jeder zehnte älterer Autofahrer seinen Arzt auf das Thema „Gesundheit am Steuer“ an.


Aber wie häufig sind Senioren in Unfälle verwickelt und wie häufig sind Senioren Hauptverursachen von Unfällen?

Nationale und internationale Studien zeigen, dass in den Altersgruppen der 18-21 -Jährigen extrem hohe Unfallraten zu verzeichnen sind. Die Rate sinkt danach aufgrund steigender Fahrerfahrung und geringere Risikobereitschaft stark ab. Senioren sind also nicht häufiger als der Durchschnitt der Autofahrer an Unfällen beteiligt.

Das über Unfallraten ermittelte Unfallrisiko überschätzt allerdings das tatsächliche Unfallrisiko ganz erheblich, wofür drei Fehler verantwortlich sind.

Ältere Verkehrsteilnehmer haben ein höheres Risiko bei einem Verkehrsunfall zu sterben als jüngere Fahrer. Dieses Risiko wird um das zwei- bis fünffache erhöht eingeschätzt. Die amtlichen Unfallstatistiken beruhen auf polizeilich gemeldeten Unfällen und diese wiederum hängen von der Stärke der Unfallfolgen ab. Entsprechend muss man annehmen, dass ein wesentlich höherer Anteil der Unfälle mit Seniorenbeteiligung in die Statistiken eingeht.Fahrer mit geringerer Kilometerleistung haben als Gruppe eine höhere Unfallrate und zwar unabhängig vom Alter. Im Vergleich zu jüngeren Gruppen gibt es aber gerade bei den Senioren viele Wenigfahrer.Senioren mit einer geringen Kilometerleistung verbringen vergleichsweise mehr Zeit in den schwierigeren und gefährlicheren Innenstadtsituationen, während Vielfahrer auf längeren Strecken zu großen Teilen auf sicheren Autobahnen unterwegs sind.

Stellen die Senioren also gar keine Risikogruppe im Autoverkehr dar? Dagegen sprechen andere Befunde. Zum einen steigt mit zunehmendem Alter der Anteil an der Unfallverursachung deutlich an. Während die Gruppe der 55-65 -jährigen Autofahrer noch in die Hälfte aller ihrer Unfälle schuldhaft verwickelt ist, steigt dieser Anteil für die 75-Jährigen auf drei Viertel an. Dabei wird deutlich, dass die Art der Unfälle, in die Senioren schuldhaft verwickelt sind, auf Überforderungen als Auslöser der Unfälle hinweist. In der Regel handelt es sich um Unfälle bei komplexen Fahraufgaben. Regelverstöße wie zu hohe Geschwindigkeiten und Alkoholeinfluss spielen dagegen kaum eine Rolle.


Typische Unfallursachen und Arten sind:

- Verletzung der Wartepflicht an Kreuzungen

- Abbiegeunfälle

- Wende- und Rückwärtsfahren

- Ein- und Ausparken

- Übersehen von Verkehrsschildern und Ampeln

- Übersehen von Radfahrern beim Abbiegen

- Unfälle beim Überholen

- Unfälle durch mangelndes Fahrzeughandling

- Unfälle durch Fehler in der Navigation


Bei sogenannten Fahrverhaltensbeobachtungen werden Autofahrer auf festgelegten Standardstrecken in ihrem Fahrverhalten beobachtet und nach verschiedenen vorher fest gelegten Kriterien bewertet. Hierbei konnten die bereits genannten Probleme bestätigt werden. Es konnte darüber hinaus gezeigt werden, dass die Probleme an komplexen innerstädtischen Knotenpunkten auftraten. Neben den o.g. Fahrfehlern wurden darüber hinaus Probleme in Hinsicht auf die Spurgenauigkeit beim Abbiegen beobachtet.


Der physiologischen Abbau, den der Alterungsprozess mit sich bringt, wird häufig von den Senioren kompensiert, indem sie

- auf Fahrten bei mangelnder Fitness verzichten

- eine angenehme Tageszeit in Hinsicht auf Verkehrsdichte, Helligkeit, Witterungsbedingungen wählen

- eher bekannte Ziele und Routen wählen

- eher konservative Fahrstreifen wählen

- auf gefährliche Manöver verzichten

- geringere Geschwindigkeiten und Längsabstände wählen


Allerdings bestehen gerade im dichten Innenstadtverkehr oft keine Freiheitsgrade, die Schwierigkeit der Fahraufgabe durch die Wahl von Geschwindigkeit und Fahrspur zu beeinflussen. Die Möglichkeiten der Kompensation sind somit stark von der Verkehrssituation abhängig und dies spiegelt sich im Unfallgeschehen wider.

Das Unfallrisiko wird zudem erhöht, wenn die verschlechterte Leistungsfähigkeit zu wenig berücksichtigt wird. Weiterhin können schlechte fest eingeschliffene Gewohnheiten beim Fahrverhalten, die in jungen Jahren durch eine bessere Leistungsfähigkeit ausgeglichen werden können (z.B. Verringerung des nutzbaren Sehfelds mit steigendem, was vom Fahrer jedoch nicht bemerkt wird) das Unfallrisiko erhöhen.

Alterungsprozesse wirken sich natürlich auch gesundheitlich aus. Für die Verkehrssicherheit als relevant zu nennen sind hier Einschränkungen in folgenden Bereichen:


- Beweglichkeit

- Sehfunktion (Dämmerungssehschärfe, Blendempfindlichkeit)

- Wahrnehmung akustischer Signale (Ortung, Richtungshören)

- Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit

- Reaktionsgeschwindigkeit und Reaktionssicherheit

- Konzentrationsfähigkeit


Hinzu kommen Risiken aufgrund von Erkrankungen wie z.B. Herz-/Kreislauferkrankungen, Einschränkungen der körperlichen Beweglichkeit, neurologische Erkrankungen, Diabetes sowie Schlafstörungen (s. die folgende Abbildung). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Mehrfacherkrankungen (mehr als 2 Krankheiten gleichzeitig) jenseits des 60. Lebensjahres im Vergleich zu Gesunden das Risiko in einen Autounfall verwickelt zu werden um das 2,6-fache erhöhen. In diesem Zusammenhang spielt sicherlich auch die Einnahme von Medikamenten, insbesondere die gleichzeitige Einnahme verschiedener Medikamente eine Rolle.


Quelle: Präsentation für den Seniorentag am 23.05.2013 in Gießen



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