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-Teil 1- Stärken und Schwächen des verkehrspsychologischen und -medizinischen Systems in Deutschland


Das verkehrspsychologische und -medizinische System (MPU-System) in Deutschland genießt in der Allgemeinbevölkerung nicht den allerbesten Ruf. Vielfach wird von Blödsinn, psychologischer Folter und Abzocke gesprochen. Wenn man vom Idiotentest spricht, dann versteht jeder, was damit gemeint ist. Demgegenüber ist die korrekte Bezeichnung „MPU“ (medizinisch-psychologische Untersuchung) im Sprachgebrauch weit weniger verbreitet. Immer wieder kursieren Gerüchte, dass die MPU abgeschafft werden solle, weil sie angeblich nicht vereinbar mit dem europäischen Recht und somit illegal sei. Im Folgenden soll versucht werden, eine Lanze für das deutsche MPU-System zu brechen, denn es hat durchaus eine Reihe an positiven Aspekten und zwar nicht nur für den Einzelnen, sondern auch in Hinsicht auf die Verkehrssicherheit. Allerdings gibt es beim deutschen MPU-System durchaus noch Verbesserungsbedarf. Darauf soll im zweiten Teil dieses Beitrags eingegangen werden. Dabei soll der Schwerpunkt auf die häufigste Deliktart, die zu einer MPU-Anordnung führt, nämlich Trunkenheit im Straßenverkehr, gelegt werden.



Stärken des bestehenden Systems


Einzelfallgerechtigkeit durch Differenziertheit

In Deutschland wird die Fahrerlaubnis entzogen, sobald sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Die Entziehung kann dabei auf zwei Wegen erfolgen: auf strafrechtlichem Weg oder auf verwaltungsrechtlichem Weg. Durch das Strafgericht kann die Fahrerlaubnis nach § 69 Strafgesetzbuch (StGB) entzogen werden, wenn sich aus einer Straftat ergibt, dass der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Dies ist beispielsweise bei Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c StGB) oder bei Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) der Fall. Mit der Entziehung wird zugleich auf der Grundlage von § 69a Abs. 1 StGB die Anordnung einer Sperrfrist verbunden, innerhalb derer keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Das Gericht kann die Sperre vorzeitig aufheben, sofern sich Grund zu der Annahme ergibt, dass der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen wieder geeignet ist (§ 69a Abs. 7 StGB). Durch die Verwaltungsbehörde kann die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Straßenverkehrsgesetz (StVG) erfolgen, wenn sich jemand als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies ist beispielsweise nach § 11 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) der Fall, wenn die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen nicht erfüllt sind, wenn also bestimmte Erkrankungen oder Mängel vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen wird.


Zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis kann die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens oder eines ärztlichen Gutachtens anordnen. In Bezug auf Alkohol ist dies insbesondere der Fall bei Alkoholabhängigkeit oder -missbrauch, wenn wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen wurden oder wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr mit einer BAK von über 1,6 Promille geführt wurde (§ 13 FeV). Auch wenn die Fahrerlaubnis nicht entzogen wurde (z.B. bei Fahrten unter Alkoholeinfluss mit dem Fahrrad), kann die Beibringung eines Gutachtens zur Klärung von Eignungszweifeln erforderlich sein.


Die medizinisch-psychologische Untersuchung stellt im Rahmen einer Einzelfallprüfung eine Prognose zur Verkehrsbewährung des Verkehrsauffälligen, d.h. es soll festgestellt werden, ob im konkreten Einzelfall zukünftig von einer erhöhten Gefahr für die Verkehrssicherheit ausgegangen werden muss. Eine MPU dient damit gleichermaßen der Verkehrssicherheit als auch der Einzelfallgerechtigkeit. Das Gutachten dient dabei als Entscheidungshilfe für die Führerscheinstelle bei der Neuerteilung bzw. Entziehung der Fahrerlaubnis. Der Begutachtung selbst liegen die „Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung" der Bundesanstalt für Straßenwesen (Gräcmann & Albrecht, Bundesanstalt für Straßenwesen, 2017) sowie die „Beurteilungskriterien" der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie und der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin zugrunde (Schubert, Dittmann & Brenner-Hartmann, 2013). Diese beiden Standardwerke sind für die psychologischen und medizinischen Gutachter bundesweit verbindlich. Durch ihre Anwendung wird eine einheitliche Verfahrensweise in der medizinisch-psychologischen Fahreignungsdiagnostik gewährleistet sowie die Transparenz des Begutachtungsprozesses hergestellt. Weiterhin müssen verkehrspsychologische Gutachter bestimmte Voraussetzungen erfüllen (s. hierzu Punkt (2) 2. b) der Anlage 14 zu § 66 Absatz 2 FeV): Gutachter müssen einen Hochschulabschluss als Diplom-Psychologe oder einen vergleichbaren Masterabschluss in Psychologie sowie 2 Jahre klinische oder arbeitspsychologische Erfahrung nachweisen und eine mindestens einjährige verkehrspsychologische Ausbildung absolviert haben. Vergleichbare Voraussetzungen müssen medizinische Gutachter erfüllen (s. hierzu Punkt (2) 2. a) der Anlage 14 zu § 66 Absatz 2 FeV).


In anderen Europäischen Ländern ist die Durchführung einer MPU bei Zweifeln an der Kraftfahreignung zwar nicht wie in Deutschland vorgeschrieben, wird aber immer häufiger ins Fahrerlaubnissystem implementiert. Im Rahmen des EU-Projektes DRUID (Driving under the Influence of Drugs, Alcohol and Medicines) zeigte sich bei einer Umfrage in 30 Europäischen Ländern zum bestehenden Fahrerlaubnissystem, dass in 22 der befragten Länder bei alkoholauffälligen Kraftfahrern vor der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis in jedem Fall bzw. in bestimmten Fällen (z.B. ab einer bestimmten BAK) eine medizinische Untersuchung und bereits in 14 Ländern eine psychologische Untersuchung durchgeführt wird. Letztere ist letztendlich unerlässlich, um beurteilen zu können, ob eine Auseinandersetzung mit den Ursachen für das gezeigte Fehlverhalten stattgefunden hat und ob stabile Änderungen in Einstellung und Verhalten zu erkennen sind. Nur wenn dies der Fall ist, ist davon auszugehen, dass Fahrten unter Alkoholeinfluss zukünftig zuverlässig vermieden werden können.

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