Bis in das Jahr 2737 v. Chr. reichen Berichte zurück, in denen Cannabis als Heilmittel beschrieben wird. In den nachfolgenden Jahrhunderten wurde Cannabis in praktisch allen Kulturkreisen therapeutisch genutzt, beispielsweise zur Behandlung von Schmerzen, Krämpfen, Asthma, Schlafstörungen, Depressionen und Appetitlosigkeit.
Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Cannabis vollständig aus den Apotheken verbannt, da es nicht gelang, die Inhaltsstoffe der Pflanze chemisch zu charakterisieren und gleichzeitig synthetisch hergestellte Medikamente auf den Markt kamen. Im Jahr 1925 wurde auf der 2. Internationalen Opiumkonferenz ein weltweites Cannabisverbot erlassen. 1971 wurde der Hauptinhaltsstoff delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) in die Anlage I des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) aufgenommen. Seither war eine Verschreibung von Cannabis nicht mehr möglich.
Im Jahre 2011 wurden allerdings Cannabiszubereitungen wie das Fertigarzneimittel Nabiximols verschreibungsfähig gemacht. Mit Inkrafttreten des „Cannabis-Gesetzes“ im Jahr 2017 können nun auch Medizinal-Cannabisblüten oder Cannabisextrakte in pharmazeutischer Qualität verschrieben werden.
In der Zwischenzeit leitete die Entdeckung des physiologisch im Körper vorhandenen Endocannabinoidsystems im Jahr 1988 und die Ermittlung der chemischen Struktur verschiedener in Cannabis enthaltener Cannabinoide im Jahr 1964 eine Renaissance der Erforschung cannabisbasierter Medikamenten ein.
Das Endocannabinoidsystem ist vermutlich das im Körper am weitesten verbreitete Transmittersystem. Innerhalb des Nervensystems wirkt es als Neuromudulator und hat eine hemmende Wirkung auf nahezu alle Neurotransmittersysteme.
Cannabismedikamente sind in Deutschland für die Behandlung der therapieresistenten Spastik bei MS und zur Behandlung von Übelkeit und Erbrechen bei einer Chemotherapie zugelassen. Weitere Indikationen sind chronische Schmerzen, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust bei Aids. Darüber hinaus gibt es für eine große Vielfalt von weiteren Indikationen Hinweise auf eine positive Wirkung von cannabisbasierten Medikamenten. Es wird die Aufgabe der nächsten Jahre sein, für bestimmte Krankheiten und Beschwerden große kontrollierte Studien durchzuführen , um die Wirksamkeit – bzw, die Überlegenheit gegenüber etablierten Therapien – nachzuweisen oder zu widerlegen.
Cannabisbasierte Medikamente gelten als gut verträglich. Bei regelmäßiger Einnahme kann es zu physischen und psychischen Nebenwirkungen kommen, wie eine Beeinträchtigung der psychomotorischen und kognitiven Leistungsfähigkeit, Gedächtnisprobleme oder Dysphorie. Nur sehr selten und bei entsprechender Prädisposition kommt es zu Trugwahrnehmnungen bzw. Halluzinationen (bekannt als drogeninduzierte Psychose). Außerdem besitzen cannabisbasierte Medikamente ein geringes Suchtpotential.
Als Kontraindikationen für eine Behandlung mit cannabisbasierten Medikamenten gelten schwere Persönlichkeitsstörungen, psychotische Erkrankungen, schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Schwangerschaft und Stillzeit. Bei vor
bestehender Abhängigkeitserkrankung, bei älteren Menschen sowie Kinder und Jugendlichen sollte der Einsatz sehr sorgfältig abgewogen werden und aktuell nur in gut begründeten Ausnahmefällen erfolgen. Weiterhin sind Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zu beachten.
Quelle: K. Müller-Vahl, Zeitschrift für Verkehrssicherheit, März 2018
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